Die Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit liegt beim Versicherer. Dies betrifft auch die Tatsachen, aus denen sich die Gesundheitsbesserung ergeben soll.
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 24.11.2017 (20 U 194/16), festgestellt, dass die Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit beim Versicherer liegt. Dies betrifft auch die Tatsachen, aus denen sich die Gesundheitsbesserung ergeben soll. Hierauf weist die Rechtsanwältin Aylin Pratsch von der Fachkanzlei für Versicherungsrecht L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft im Rahmen einer Rechtsprechungsübersicht hin.
Im vorliegenden Verfahren hatte der Versicherungsnehmer, von Beruf Management Consultant, im August 2010 Antrag auf Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen mittelgradigen rezidivierenden Episoden, Alkoholmissbrauchs und eines Verdachts auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung gestellt. Die Beklagte genehmigte den Antrag, ging dann aber 2014 im Rahmen der Nachprüfung von einer deutlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes aus und stellte die Leistungen ein. Der Versicherungsnehmer forderte von der Beklagten daraufhin die Fortzahlung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung lehnte dies außergerichtlich ab, woraufhin der Versicherungsnehmer Klage beim Landgericht einreichte. Das Landgericht gab der Versicherung allerdings Recht und wies die Klage ab.
Hiergegen legte der Versicherungsnehmer Berufung ein. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte daraufhin die Versicherung zur Fortzahlung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Denn die Versicherung sei im Nachprüfungsverfahren beweisbelastet dafür, dass die Berufsunfähigkeit entfallen ist. Dieser Wegfall kann entweder darauf beruhen, dass es dem Versicherungsnehmer möglich ist, in einem anderen Beruf zu arbeiten (die sogenannte „Verweistätigkeit“), oder dass der Versicherungsnehmer wieder fähig ist, dem zuvor ausgeübten Beruf nachzugehen.
Das OLG Hamm betonte in seiner Entscheidung, dass die Versicherung darlegen und beweisen muss, dass sich die Gesundheitsverhältnisse des Versicherungsnehmers nachträglich in einem erheblichen Umfang gebessert haben und dass die Verbesserung des Gesundheitszustandes zu relevanten Auswirkungen auf den Beruf des Versicherungsnehmers geführt hat. Die Berufsunfähigkeitsversicherung müsse diese Tatbestandsvoraussetzungen sogar im Vollbeweis erbringen. Dies ist der Versicherung vorliegend jedoch nicht gelungen, da sich der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zwar verbessert habe, gleichwohl es der Versicherung nicht gelungen sei, im Strengbeweis zu beweisen, dass der Versicherte nicht mehr berufsunfähig sei.
Das Verfahren bestätigt nach Ansicht von Rechtsanwältin Pratsch von der auf Versicherungsrecht spezialisierten Kanzlei L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft die insgesamt versichertenfreundliche Ausgangslage. „Das Oberlandesgericht hat erneut festgestellt, dass die Versicherung nach Bestehen einer Berufsunfähigkeit diese nur im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens angreifen kann. Für den Versicherer ist dieses Nachprüfungsverfahren deutlich komplizierter, weil die Versicherung beweisen muss, dass die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit beim der Versicherungsnehmer nicht mehr vorliegen.“
Rechtsanwältin Pratsch empfiehlt daher Versicherungsnehmern in vergleichbaren Situationen, bei Problemen mit der Versicherungsgesellschaft – gerade auch bei Vergleichsangeboten – dies von auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwälten prüfen zu lassen. Denn häufig gehen derartige Vergleiche zu Lasten der Versicherungsnehmer.