Der Versicherungsnehmer verletzt trotz Entfernens vom Unfallort nicht die Aufklärungsobliegenheit in der KFZ-Kaskoversicherung.
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Datum vom 15. April 2016, Az. 20 U 240/15, festgestellt, dass der Versicherungsnehmer trotz Entfernens vom Unfallort nicht die Aufklärungsobliegenheit in der KFZ-Kaskoversicherung verletzt. Hierauf weist Rechtsanwältin Aylin Pratsch von der Fachkanzlei für Versicherungsrecht L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft im Rahmen einer Rechtsprechungsübersicht hin.
Im vorliegenden Verfahren hatte die beklagte Kaskoversicherung Leistungen aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag abgelehnt. Die Versicherung begründete dies u.a. damit, dass der Versicherungsnehmer seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe, indem er nach einem Unfall mit einer Leitplanke den Unfallort ohne Benachrichtigung der Polizei verlassen habe.
Das Landgericht gab der Vollkaskoversicherung Recht und wies die Klage ab. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hob das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Vollkaskoversicherung gemäß den klägerischen Anträgen. Das Oberlandesgericht begründete dies damit, dass das Landgericht die Obliegenheitsverletzung falsch beurteilt habe. Denn die Versicherungsbedingungen seien nicht derart zu verstehen, dass sie ein aktives Benachrichtigen der Polizei verlangten. Vielmehr reiche es aus, dass der Unfallverursacher passiv warte. Dies sei zwar nicht der Fall gewesen, allerdings sei die Obliegenheitsverletzung nicht grob fahrlässig gewesen. Denn aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers seien die Versicherungsbedingungen nicht dahin gehend zu verstehen, dass die Unfallstelle nicht verlassen werden dürfe, wenn es an einem Fremdschaden mangele.
Das Verfahren bestätigt nach Ansicht von Rechtsanwältin Pratsch von der auf Versicherungsrecht spezialisierten Kanzlei L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte Partnerschaft die insgesamt versichertenfreundliche Ausgangslage. „Die Urteilsbegründung zeigt, dass die Versicherungsnehmer nicht stets darlegungs- und beweispflichtig sind. Haben diese nämlich dargelegt, dass ein Unfall passiert ist und dadurch ein Schaden entstanden ist, müssen die Kaskoversicherer in der Folge darlegen und auch beweisen, dass sie nicht eintrittspflichtig seien, weil der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt habe. Dies wird oftmals nicht gelingen, sodass regelmäßig von guten Erfolgsaussichten für Versicherungsnehmer auszugehen ist.“
Rechtsanwältin Pratsch empfiehlt daher Versicherungsnehmern, bei Problemen mit der Versicherungsgesellschaft zeitnah fachanwaltlichen Rat von auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwälten einzuholen.